Steine

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Nr. 29 Schlesischer Sandstein – Dresden Klotzsche 2015

Der häufig aus Zirkwitz oder Rackwitz (Niederschlesien – Polen) stammende Sandstein, auch als Bunzlauer Sandstein bezeichnet, mit seiner eigenwilligen Färbung, welche von homogenem Grau- bis zu lebhaften Orangetönen reicht, erinnert eher an einen Kunst- den einen Naturstein. Die durch die Anbieter zu verantwortende Oberflächenbehandlung, die mit dem Einsatz von Pneumatikhämmern und stumpfer Eisen, dem Stein wahllos erscheinende Spitzspuren mitgeben und damit das Handwerk des Steinmetz verhöhnen, rundet dessen eigenwilliges Aussehen ab. Die Entscheidung der Produzenten zu diesem »Finish« dürfte auch daher gründen, dem Käufer die Ahnung des im Hintergrund schwingenden Handwerks mitzuverkaufen. Diese steingewordene Verirrung trifft danach auf das Talent eines Garten-Landschaftsbauers oder gleich auf den Selbermacher – angerührte Sackware mit diesem Stein und einer 5 Zentimeter breiten, betonfarbenen Fuge in Verbindung zu bringen. 

Der Leser möge den Sarkasmus dieser Beschreibung entschuldigen, jedoch könnte der eingeschlagene Irrweg mit dieser Art »Natursteinmauern« nicht deutlicher von einem gelungenem Ergebnis einschließlich ästhetischem Mehrwert abweichen. Die Kritik zielt weniger darauf ab, alle aus dem schlesischen Raum stammenden Sandsteinarten abzuwerten, so ist der Wünschelburger Sandstein, aus welchem auch das Brandenburger Tor in Berlin gebaut ist, ein durchaus schöner Naturstein aus dieser Region. Und auch der hiesige Sächsische Sandstein ist in verschiedenen Qualitäten erhältlich. 
Vielmehr geht es dem Verfasser um die längst mehrheitsfähige Anspruchslosigkeit des Bauherren gegenüber dem Gesamtergebnis. Die Kritik umfaßt damit auch die Zustimmung zu solch absurden Angeboten der Baustoffindustrie, in diesem Fall eben diese Art Naturstein. 
Seit jeher, über alle Epochen und Stile hinweg, galt in der Baugeschichte ein sauberes und enges Fugenbild als Ausweis für die Qualität eines Ziegel- als auch Natursteinmauerwerks. Erst die letzten drei Dekaden haben diese Prämisse ihrer Bedeutung enthoben – Mauerwerk geht jetzt auch grob. 
Ohne Ahnung vom Zusammenhang des Handwerks und der Handschrift, ohne Gespür für Qualität und Klasse, frei von jeglichem Verständnis für traditionelles Bauen mit den dazu gehörenden Normativen Regionalität und Verortung, welche früher über Material und Form entschieden, gilt als Auswahlkriterium lediglich der Preis. Einzig eine nostalgisches Regung, zu welchem ihn die Gegenwart des Natursteins veranlaßt, könnte für diese Bauherren entlastend angeführt werden. Denn mit ihr alleingelassen, findet er keinen Architekten der sich für die ästhetische Betreuung unter traditionellen Vorzeichen dieser Kundschaft widmen würde. 

Sicher hat diese in breiten Bevölkerungskreisen anzutreffende Denk- und Handlungsweise einen längeren Anlauf als der Besuch der letzten Baumesse oder der neuerliche Ausflug zu »Hornbach«. Die »Architekturkatastrophe die der Naturkatastrophe mittlerweile den Rang streitig macht« (nach M. Klonovsky) dem baustoffkonsumierenden Bürger und den ihn dabei behilflichen Handwerkern vorzuwerfen, wäre Tadel am letzten Glied. Auch wenn ich dies im oberen Abschnitt getan habe, bin ich mir über die unzureichende Ursache-Wirkung-These im Klaren. Folgerichtig und konsequent wäre eine gründliche Beschäftigung zum Thema, was an dieser Stelle jedoch nicht passieren wird. Das dürfte den eventuell Interessierten halbverrichteter Dinge zurücklassen, deswegen sei vorerst am Ende des Textes auf weiterführende Literatur hingewiesen. 
Die Rubrik »Begriffe und Ansichten« wird in Zukunft der Platz für derlei versammelte Gedanken sein. 

Zum Auganspunkt dieser Ausführungen kommend, zählen wir dieses Material daher nicht zu den schönsten und konstruktiv nicht zu den zuverlässigsten Natursteinen. Dennoch entschloss sich der Betrieb der Beauftragung für eine Einfriedung aus diesem Stein durch private Bauherren nachzukommen. Mindestens die Stoß- und Lagerfugenflächen jedes der verwendeten Steine wurden nachgearbeitet. Neben dem engeren Fugenbild wirkt auch der auf Hydraulkalk basierende Mörtel mit seiner sanften Tönung wohltuend auf das Gesamtbild. 

»Vom Umgang mit unseren Häusern«, Pablo de la Riestra, Manuscriptum 
»Einfach richtig bauen«, Albert Ringlstetter, BLV-Verlagsgesellschaft; 
»‚Kulturbolschewismus‘ oder ‚Ewige Ordnung‘«, Norbert Bormann, ARES-Verlag; 
»Freiheit oder Fatalismus«, Léon Krier, Prestel-Verlag; 
»Die gemordete Stadt«, Wolf J. Siedler, Siedler Verlag; 
»Die Unwirtlichkeit unserer Städte: Anstiftung zum Unfrieden«, 
Alexander Mitscherlich, Suhrkamp Verlag;